Geoinformationsbasierte Modelle zur Anpassung der Siedlungsentwässerung an die Herausforderungen des Klimawandels

  • Geoinformation-based models for adapting urban drainage to climate change challenges

Echterhoff, Jan; Pinnekamp, Johannes (Thesis advisor); Blankenbach, Jörg (Thesis advisor)

Aachen : RWTH Aachen University (2021)
Doktorarbeit

Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2021

Kurzfassung

Gerade die städtische Entwässerungsinfrastruktur steht vor dem großen Problem sich an Herausforderungen wie den Klimawandel, aber auch Trends der Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung und die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Erschließungsaufwand anzupassen. Gleichzeitig können die Chancen des digitalen Wandels genutzt werden, um diesen Herausforderungen zu begegnen. In dieser Arbeit erfolgt daher die Erarbeitung von zwei geoinformationsbasierten Modellen, die vor dem Hintergrund der voranschreitenden Digitalisierung zur Anpassung der Siedlungsentwässerung an den demografischen Wandel und den Klimawandel beitragen sollen. Ein wichtiger Aspekt des kommunalen Überflutungsschutzes sind naturnahe Maßnahmen zur Bewirtschaftung von Niederschlagswasser als Teil einer wassersensiblen Stadtentwicklung. Nach den anerkannten Regeln der Technik ist das übergeordnete Ziel der Niederschlagswasserbewirtschaftung eine Annäherung an den natürlichen Wasserhaushalt. Die Abschätzung dieser Zielgröße ist ähnlich schwer zu ermitteln wie das Potential, welches Maßnahmen der dezentralen Niederschlagswasserbewirtschaftung bieten, um diese Zielgröße zu erreichen oder anzunähern. Ein in dieser Arbeit entwickeltes geoinformationsbasiertes Modell verfolgt daher diese beiden Ziele. Dabei geht es nicht nur um eine rein bilanzielle Abschätzung eines Wasserhaushaltsdefizites, sondern auch um eine Eingrenzung der potentiellen Maßnahmen zum bestmöglichen Ausgleich dieses Defizites, unter Berücksichtigung von siedlungsstruktureller, geologischer und hydrogeologischer Restriktionen. Das Modell arbeitet dabei ausschließlich mit georeferenzierten Daten und bietet somit eine direkte Verortung der Ergebnisse. Das entwickelte Modell zur Potentialanalyse für Maßnahmen der dezentralen Niederschlagswasserbewirtschaftung verbindet dabei erfolgreich den Ansatz der empirisch ermittelten Wasserhaushaltsaufteilungsfunktionen des DWA-A 102 mit einer GIS-gestützten Modellrechnung. Der Vorteil einer direkten georeferenzierten Umsetzung dieser Flächenfunktionen zeigt sich nicht nur durch eine mögliche Skalierung des auswählbaren Bilanzgebiets, sondern auch durch die georeferenzierte Umsetzung, welche zudem die direkte Berücksichtigung von klaren Restriktionen für die Maßnahmen der dezentralen Niederschlagswasserbewirtschaftung ermöglicht. Das zweite in dieser Arbeit entwickelte geoinformationsbasierte Modell ist ein Künstliches Neuronales Netz (KNN) zur Berechnung von Überflutungsflächen im Starkregenfall. Dieses kann, für bestimmte dem KNN bekannte Gebiete, in Echtzeitsimulation angewendet werden und somit konventionelle hydrodynamische Modelle substituieren. Es wurde zu diesem Zweck ein mehrschichtiges vorwärts gerichtetes KNN als Vertreter der überwacht lernenden KNN aufgebaut und auf seine Eignung untersucht sowie beurteilt. Für die Substitution eines hydrodynamisch numerischen Modells zur Berechnung von Überflutungsgefahren (Überflutungsflächen bzw. des Oberflächenabflusses) durch ein KNN, muss dieses die hydrologischen Prozesse des konventionellen Modells ‚erlernen’. Für diesen Lernprozess werden zum einen Eingangswerte benötigt, die im Wesentlichen die hydrologischen Prozesse bestimmen (z.B. Niederschlag, DGM, Versiegelungsart, Bruchkanten, etc.) und zum anderen Zielwerte, also Werte, die aus diesen Informationen abgeleitet werden sollen. Im Fall des in dieser Arbeit aufgebauten KNN sind dies Flächen, bei denen sich nach Niederschlagsereignissen ein Wasserstand mit einer bestimmten Höhe einstellt (Überflutungsflächen mit Überflutungshöhe). Diese Zielwerte wurden durch ein hydrodynamisches numerisches Modell berechnet. Das entwickelte Modell zur Prognose von pluvialen Überflutungsflächen mit einem KNN zeigt, dass KNN auf Grund ihrer Rechengeschwindigkeit, gerade für bestimmte Anwendungsfälle, geeigneter sind als konventionelle hydrodynamische numerische Modelle. Wenngleich eine Generalisierbarkeit bzw. eine Übertragbarkeit des antrainierten KNN auf andere Modellgebiete nicht erfolgreich demonstriert werden konnte, wurde jedoch gezeigt, dass das KNN für einen ihm ausreichend bekannten Wertebereich gute Ergebnisse prognostizieren kann. Der Mehrwert des entwickelten Modells und des demonstrierten KNN liegt klar in der Rechenzeit zur Prognose von Starkregengefahrenkarten. Anders als bei hydrodynamischen numerischen Modellen können Starkregengefahrenkarten mit ausreichender Genauigkeit in wenigen Sekunden durch das entwickelte KNN prognostiziert werden. Die Anwendungsmöglichkeiten des erarbeiteten Modells spezialisieren sich somit auf Fälle, bei denen diese Stärken unabdingbar sind. Genau diese Unabdingbarkeit stellt das kommunale Starkregenrisikomanagement, wenn es darum geht, pluviale Überflutungen in Folge von spontan auftretenden und räumlich begrenzten Starkregen zu prognostizieren.

Einrichtungen

  • Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft und Wassergütewirtschaft und Institut für Siedlungswasserwirtschaft [314110]

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