Verfahren zur Gewinnung von Sekundärphosphaten aus flüssigen Stoffströmen und deren Einfluss auf die deutsche Phosphorbilanz

  • Processes to recover secondary phosphates from liquid mass flows and its influence over the German phosphorus balance

Gethke-Albinus, Katrin; Pinnekamp, Johannes (Thesis advisor)

Aachen : Publikationsserver der RWTH Aachen University (2012)
Doktorarbeit

Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 2012

Kurzfassung

Phosphor ist ein Element, dass für den Menschen, für Fauna und Flora essentiell ist. Phosphor ist nicht substituierbar und zudem endlich, seine Verbindungen zählen zu den durch Industrieproduktion und Konsum erheblich beeinflussten Stoffströmen unseres Planeten. Phosphat liegt auf der Welt in wenigen natürlichen Lagerstätten mineralisiert als Erz vor und muss bergbaulich gewonnen werden. Die weltweite Phosphorreserve hat eine begrenzte Reichweite und die Zusammensetzung des Phosphaterzes ist für seine Verwendung bedeutsam: der Hauptteil der Lagerstätten ist aufgrund ihrer Genese mit Schwermetallen angereichert und erschwert dadurch die Nutzung. Der Phosphorpreis, der kein Welthandelspreis ist, sondern auf bilateralen Handelsvereinbarungen basiert, ist äußerst instabil. Deutschland verfügt über keine eigenen Lagerstätten und ist vollständig auf Phosphatimporte angewiesen. In der vorgelegten Arbeit wurde eine Phosphorbilanz für Deutschland erstellt, um einen Überblick über relevante menschliche Aktivitäten und die daraus resultierenden Phosphorströme zu erlangen. Zwölf Prozessaggregate wurden in diesem Zusammenhang ermittelt, wobei sechs der Industrie, drei der Landwirtschaft und zwei der Abwasser- und Abfallbehandlung zuzuordnen sind. Das zwölfte Aggregat bilden die deutschen Haushalte. Zur Vervollständigung wurden außerhalb des Bilanzraums drei Aggregate definiert: sowohl der Import von phosphorhaltigen Stoffströmen als auch der Export bilden relevante Größen in der Bilanz, zusätzlich wird die Hydrosphäre einbezogen. Neben den Prozessaggregaten wurden fünf Lager festgelegt: die Speicherung von Phosphor im Boden und im Menschen, langlebige Produkte, Abfälle der Düngemittelindustrie sowie Abfalldeponien. Insgesamt konnten 28 Stoffströme ermittelt werden, wovon einige noch einmal unterteilt wurden. Die Phosphorbilanz zeigt, dass jährlich in den Betrachtungsraum die Menge von ca. 536.000 Mg P/a importiert wird. Die landwirtschaftlichen Produktionsbetriebe erhalten in Form von Dünge- und Futtermitteln mit 35,6% den größten Anteil davon, dicht gefolgt von der Phosphorindustrie mit einem Anteil von 34,9%. Mit einem Anteil von 24,4% ist die Nahrungsmittelindustrie der dritte große Abnehmer, der aber zugleich mit 59,7% die größte Phosphormenge auch wieder ausführt. Wichtige exportierende Industriesparten sind zudem die Phosphorindustrie (11,8%) und die Düngemittelindustrie (8,7%). Der Export beträgt ca. 233.500 Mg P/a und der Eintrag in die Hydrosphäre 33.000 Mg P/a. Somit verbleiben unter Einbezug der Bilanzunschärfe im Bilanzraum 262.000 Mg P/a, die die Lager bilden. Seit einigen Jahren werden bereits Möglichkeiten zur Phosphorrückgewinnung erforscht. In der Arbeit wurden jene Verfahren zum Phosphorrecycling aus flüssigen Medien aufgeführt und verglichen, die sich mindestens am Ende ihrer Entwicklung befinden. Vor dem Hintergrund der erarbeiteten Phosphorbilanz wurden Stoffströme ermittelt und quantifiziert, die entweder für eine Phosphorrückgewinnung in Frage kommen oder die durch unterschiedliche Maßnahmen im Umfang reduziert werden können. Anschließend wurde die Bilanz noch einmal unter Berücksichtigung der als besonders geeignet benannten Phosphorrückgewinnungsverfahren betrachtet. Neben der qualitativen Bewertung der für ein Phosphorrecycling relevanten Stoffströme, wurde das jeweilige Recyclingpotential quantifiziert und deren Auswirkungen auf die Stoffströme der Bilanz evaluiert. In einem Zukunftsszenario für eine Phosphorrückgewinnung in Deutschland wurde aufgezeigt, dass durch ein effizientes Recycling sowie durch Einsparmaßnahmen ein erster Schritt zur Unabhängigkeit von Phosphorimporten gemacht werden kann. Das vorgestellte Phosphorrückgewinnungssystem würde innerhalb des Bilanzraums zu einer Kreislaufführung von rund 36.000 Mg P/a führen. Durch die im Szenario beschriebenen Maßnahmen des Phosphorrecyclings könnten die Importe von mineralischen Phosphordüngemitteln um 50% gesenkt werden. Dies würde zu einer jährlichen Reduzierung der Gesamtimporte von 6,6% führen. Des Weiteren könnte der Eintrag in die Hydrosphäre ebenfalls um 38% abgemindert werden, was im Hinblick auf die Umsetzung der EG-WRRL einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der chemischen Gewässerqualität darstellen würde. Die skizzierte Doppelstrategie aus Vermeidung und Substitution von quantifizierten Phosphormengen kann auf der Basis ausgereifter Technologien die zunehmende Unabhängigkeit Deutschlands vom internationalen Phosphormarkt einleiten. Zudem wäre der Aufbau eines flächendeckenden Rückgewinnungssystems eine Pionierleistung, die die nationale umwelttechnologische Vorreiterrolle weiter stärken würde. Die Verfahren zur Phosphorrückgewinnung sind weit entwickelt und bereit für den großtechnischen Einsatz. Die Umsetzung in der Praxis verläuft derzeit noch zögerlich, aber das Wissen um die Endlichkeit der Ressource Phosphor und ihre Bedeutung für das Leben wird kurzfristig zu einem nachhaltigen Handeln führen müssen.

Einrichtungen

  • Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft und Wassergütewirtschaft und Institut für Siedlungswasserwirtschaft [314110]

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